{"id":10187,"date":"2022-10-01T18:35:21","date_gmt":"2022-10-01T16:35:21","guid":{"rendered":"https:\/\/domicilium.de\/zen-spiritualitaet-bildung\/?p=10187"},"modified":"2023-10-18T17:56:19","modified_gmt":"2023-10-18T15:56:19","slug":"richard-stiegler-achtsames-leben-der-sommer-war-gross","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/domicilium.de\/zen-spiritualitaet-bildung\/richard-stiegler-achtsames-leben-der-sommer-war-gross\/","title":{"rendered":"Richard Stiegler: \u201eAchtsames Leben \u2013 Der Sommer war gro\u00df\u201c"},"content":{"rendered":"\t\t
Wer kennt sie nicht, die ber\u00fchmten Zeilen aus dem Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke: \u201eDer Sommer war sehr gro\u00df. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los\u2026\u201c Der Herbst ist gekommen, die Zeit der Ernte und der Dankbarkeit.<\/p>
Dankbarkeit bringt uns die F\u00fclle des Lebens ins Bewusstsein. Doch bei n\u00e4herer Betrachtung hat sie eine viel tiefere Bedeutung, als wir ihr \u00fcblicherweise zukommen lassen. Dankbarkeit ist nicht nur ein Gef\u00fchl, das momenthaft auftaucht, wenn sich etwas erf\u00fcllt. Sie ist vielmehr eine grundlegende spirituelle Lebenshaltung, die uns selbst und unser Umfeld ver\u00e4ndern kann.<\/p>
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Wie sich unser Blick verengt<\/strong><\/p> Wie leicht kann sich unser Blick auf das Schwierige und Negative verengen? Corona, Krieg, Hunger, steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten, Klimakrise und dazu die individuellen Schwierigkeiten und Herausforderungen im privaten und beruflichen Umfeld, die es nat\u00fcrlich immer auf die eine oder andere Weise gibt. Wie schnell k\u00f6nnen wir da am Leben und am Menschen verzweifeln?<\/p> Wenn wir auf die Schwierigkeiten und Krisen des Lebens schauen, verengt sich unser Blick auf das Negative. Dabei \u00fcbersehen wir, dass in allen schwierigen Situationen auch immer Unterst\u00fctzendes gegenw\u00e4rtig ist. Wieviel Solidarit\u00e4t und wieviel Kreativit\u00e4t wird doch in kleinen gro\u00dfen Krisen freigesetzt? Und wie schnell wird das ausgeblendet?<\/p> \u00a0<\/p> Ein sch\u00fctzender Mantel<\/strong><\/p> Aus diesem Grund ist die Haltung der Dankbarkeit ein Schutz vor Negativit\u00e4t. So wie ein Mantel uns im Winter warmh\u00e4lt und vor K\u00e4lte bewahrt, so beh\u00fctet uns die Dankbarkeit davor, den Blick auf das Destruktive zu verengen und dabei zu resignieren, zu verbittern oder zu verh\u00e4rten.<\/p> Wir alle erleben immer wieder schwierige Momente. Wir alle erfahren Schicksalsschl\u00e4ge. Und doch l\u00e4sst sich beobachten, dass es Menschen gibt, die dadurch in die Negativit\u00e4t und in \u00c4ngste abgleiten, dagegen andere sogar gest\u00e4rkt daraus hervorgehen. Es ist also nicht nur die Schwere einer Lebenssituation oder die Heftigkeit eines Verlustes daf\u00fcr entscheidend, wie wir eine herausfordernde Situation verarbeiten und welches grundlegende Lebensgef\u00fchl daraus entsteht. Mindestens genauso bedeutsam ist, mit welcher inneren Haltung wir diesen Situationen begegnen. Wenn sich unser Blick auf das Schwierige und Schmerzhafte verengt, werden wir verzweifeln und verbittern. Wenn wir das unterst\u00fctzende und verbindende Potential in diesen Situationen sehen k\u00f6nnen, werden wir diese ganz anders verarbeiten k\u00f6nnen. Vielleicht gehen wir dann sogar gereift und gest\u00e4rkt daraus hervor.<\/p> \u201eIch danke der unsichtbaren Hilfe, die schon unterwegs ist.\u201c \u00a0<\/p> Dankbarkeit ist nicht naiv<\/strong><\/p> Nat\u00fcrlich geht es bei der Haltung der Dankbarkeit nicht darum, das Negative und Schmerzhafte des Lebens auszublenden. Es bedeutet auch nicht, naiv an das Gute zu glauben. Nein, es ist nicht weise und keineswegs heilsam, schmerzhafte Wirklichkeit vermeiden zu wollen. Nat\u00fcrlich gibt es Leiden und offensichtlich gibt es auch destruktives Verhalten, das wir Menschen uns selbst und der Natur antun. All das gibt es und wir tun gut daran, dies anzuerkennen und dem Schwierigen unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Aber das Schwierige im Leben braucht nicht nur unsere Aufmerksamkeit, sondern vor allen Dingen unsere liebende Aufmerksamkeit \u2013 also eine Aufmerksamkeit, die sich nicht auf das Destruktive und Negative verengt!<\/p> Das ist die Praxis der Dankbarkeit. Eine Grundhaltung, die sich nicht durch das Negative hypnotisieren l\u00e4sst, sondern auf das gute, heilsame und verbindende Potential in allen Situationen schaut.<\/p> \u00a0<\/p> Dankbarkeit als Praxis<\/strong><\/p> Wenn uns das gelingt und wir aus der Dankbarkeit heraus leben, dann werden wir nicht verh\u00e4rten. Und \u2013 was vielleicht genauso wichtig ist \u2013 wir leben dann innerlich nicht in einer Welt des Mangels und der Bed\u00fcrftigkeit, sondern sind uns der F\u00fclle des Lebens bewusst. Dabei verhalten wir uns nicht wie ein bed\u00fcrftiger Schwamm, der alles aufsaugt, sondern wie eine Quelle, die sich verstr\u00f6mt \u2013 unser Herz flie\u00dft \u00fcber. Wir schenken dann Freude, strahlen Liebe und Sanftmut aus und verbreiten eine Atmosph\u00e4re von Friedlichkeit. Das ist die unmittelbarste Wirkung, wenn wir aus der Dankbarkeit heraus leben: Unser SEIN selbst wirkt in unsere Beziehungen hinein.<\/p> Aber nicht nur das. Wir verschenken dann auch das, was wir zu geben haben: unsere Potentiale. Es entsteht eine sehr nat\u00fcrliche Gro\u00dfz\u00fcgigkeit, die sich durch unser ganzes Leben zieht. Vielleicht spenden wir Geld, vielleicht schenken wir einfach nur einem Menschen, der gerade in der Not ist, unsere Zeit und unsere Zuwendung. Es gibt viele M\u00f6glichkeiten, sich zu verschenken. In jedem Fall f\u00fchrt uns Dankbarkeit \u00fcber eine selbstbezogene, egoistische und bed\u00fcrftige Lebensweise hinaus. Daher ist Dankbarkeit nicht nur eine Haltung, die uns den Reichtum des Lebens er\u00f6ffnet, sondern auch eine spirituelle Praxis, die unsere Selbstbezogenheit transformiert.<\/p> \u201eDas gr\u00f6\u00dfte Geschenk, das wir geben k\u00f6nnen, ist Dankbarkeit.<\/em> \u00a0<\/p> \u00dcBUNG: Die Praxis der Dankbarkeit<\/strong><\/p> Wer kennt sie nicht, die ber\u00fchmten Zeilen aus dem Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke: \u201eDer Sommer war sehr gro\u00df. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los\u2026\u201c Der Herbst ist gekommen, die Zeit der Ernte und der Dankbarkeit. <\/p>\n","protected":false},"author":5,"featured_media":10189,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"_mo_disable_npp":"","inline_featured_image":false,"_lmt_disableupdate":"","_lmt_disable":"","footnotes":""},"categories":[105],"tags":[],"class_list":["post-10187","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-kolumne-richard-stiegler"],"acf":[],"yoast_head":"\n
<\/em>Gebet vom Stamm der Hopi<\/em><\/p><\/blockquote>
Wenn wir Geschenke geben, geben wir etwas, das wir entbehren k\u00f6nnen.<\/em>
Wenn wir Dankbarkeit geben, schenken wir uns selbst.\u201c
<\/em>David Steindl Rast<\/em><\/p><\/blockquote>
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