{"id":10181,"date":"2022-10-31T18:27:36","date_gmt":"2022-10-31T17:27:36","guid":{"rendered":"https:\/\/domicilium.de\/zen-spiritualitaet-bildung\/?p=10181"},"modified":"2023-10-18T17:55:49","modified_gmt":"2023-10-18T15:55:49","slug":"richard-stiegler-achtsames-leben-wenn-die-schatten-laenger-werden","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/domicilium.de\/zen-spiritualitaet-bildung\/richard-stiegler-achtsames-leben-wenn-die-schatten-laenger-werden\/","title":{"rendered":"Richard Stiegler: \u201eAchtsames Leben \u2013 Wenn die Schatten l\u00e4nger werden \u2026\u201c"},"content":{"rendered":"\t\t
Es ist Herbst. Die Tage werden k\u00fcrzer und die Schatten umso l\u00e4nger. Sind Schattenbilder nicht ein faszinierendes Ph\u00e4nomen? Je heller das Licht, umso dunkler der Schatten. Wir k\u00f6nnen ihn nicht absch\u00fctteln. Es sei denn, wir gehen aus dem Licht und ergeben uns der Dunkelheit.
Tats\u00e4chlich ist der Schattenbereich der Seele \u00e4hnlich strukturiert. Er bildet sich erst dort, wo wir uns innerlich dem Licht zuwenden, also starke Ideale haben, die wir anstreben. Je st\u00e4rker wir versuchen, dem Erw\u00fcnschten zu entsprechen, desto gr\u00f6\u00dfer wird der Bereich in uns, den wir ablehnen und entsprechend in das Dunkle \u2013 das Schattenreich \u2013 verbannen. Mit anderen Worten: Der seelische Schatten betrifft die ungeliebten Anteile in uns, welche wir dann vor uns und vor anderen zu verstecken suchen.<\/p>
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Wie wir versuchen, Ungeliebtes in Schach zu halten<\/strong> \u00a0<\/p> Wenn wir den Schatten projizieren<\/strong> \u00a0<\/p> Schattenarbeit ist Friedensarbeit<\/strong> \u00a0<\/p> \u201eDer archimedische Punkt, von dem aus ich an meinem Orte die Welt bewegen kann, ist die Wandlung meiner selbst.\u201c \u00a0<\/p> Schattenanteile erl\u00f6sen<\/strong> \u00a0<\/p> Es ist Herbst. Die Tage werden k\u00fcrzer und die Schatten umso l\u00e4nger. Sind Schattenbilder nicht ein faszinierendes Ph\u00e4nomen? Je heller das Licht, umso dunkler der Schatten. Wir k\u00f6nnen ihn nicht absch\u00fctteln. Es sei denn, wir gehen aus dem Licht und ergeben uns der Dunkelheit. <\/p>\n","protected":false},"author":5,"featured_media":10183,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"_mo_disable_npp":"","inline_featured_image":false,"_lmt_disableupdate":"","_lmt_disable":"","footnotes":""},"categories":[105],"tags":[],"class_list":["post-10181","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-kolumne-richard-stiegler"],"acf":[],"yoast_head":"\n
Doch selbst wenn es uns gelingen sollte, immer Richtung Licht zu streben und ungeliebte Anteile aus dem Bewusstsein zu verdr\u00e4ngen, k\u00f6nnen wir diese nicht wirklich absch\u00fctteln. Schattenanteile bleiben immer ein unterschwelliger Bereich in unserer Psyche und es kostet uns viel Lebensenergie, diesen in Schach zu halten. Wieviel Energie k\u00f6nnten wir uns sparen, wenn wir uns diesen Anteilen zuwenden und das lebendige Potential, das darin liegt, integrieren w\u00fcrden?
Wenn wir zum Beispiel St\u00e4rke und Leistungsf\u00e4higkeit idealisieren, wie es besonders in unserer Kultur gerne getan wird, dann werden Momente von Schw\u00e4che und Ersch\u00f6pfung als unerw\u00fcnscht und unn\u00fctz entwertet. Folglich werden wir diese Momente ausblenden und \u00fcbergehen. Wir erlauben uns nicht, in diesen Momenten von allen Aktivit\u00e4ten loszulassen und uns zu erholen. Wenn sich dieses Verhalten zu einem Lebensmuster verdichtet, kommt es unweigerlich irgendwann zum Zusammenbruch und zu einem Burn-Out. Dann zeigt sich der Schatten mit seiner ganzen, destruktiven Macht.
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Doch es gibt noch eine weitere Wirkung des Schattens, die uns viel h\u00e4ufiger zu schaffen macht, als uns bewusst ist. Wenn uns zum Beispiel unsere Aggression Angst macht und wir daher nicht wagen, klar f\u00fcr uns einzutreten, k\u00f6nnen wir dieses Potential vielleicht lange Zeit in uns unterdr\u00fccken und jeden Konflikt vermeiden, aber wir k\u00f6nnen nicht verhindern, dass wir immer wieder auf andere Menschen sto\u00dfen, die aggressiv f\u00fcr ihren Standpunkt eintreten. Mit anderen Worten: Was immer wir in uns als bedrohlich oder falsch empfinden und entsprechend ablehnen, es kommt uns unweigerlich von au\u00dfen entgegen.
Nat\u00fcrlich haben wir in einem solchen Fall das Gef\u00fchl, dass der Grund f\u00fcr unsere Bedrohung im Gegen\u00fcber liegt und nicht in uns. Wir projizieren unsere Schwierigkeit mit dem inneren Schattenanteil auf das Gegen\u00fcber und bewerten und bek\u00e4mpfen ihn dort. Kein Wunder, dass dies unsere Beziehungen stark belastet und zu gro\u00dfen Konflikten f\u00fchrt.
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Aus diesem Grund ist Schattenarbeit eigentlich Friedensarbeit. Wir k\u00f6nnen durch nichts so sehr unsere Beziehungen entlasten wie durch die Bereitschaft, Verantwortung f\u00fcr unsere Projektionen zu \u00fcbernehmen \u2013 sprich, sich dem inneren Anteil zu stellen, welchen wir im Gegen\u00fcber ablehnen. Freilich k\u00f6nnen wir dann nicht mehr das beliebte Spiel weiterspielen, andere f\u00fcr unsere unangenehmen Gef\u00fchle verantwortlich zu machen. Wir k\u00f6nnen dann nicht mehr \u00fcber Politiker*innen, nicht mehr \u00fcber die Nachbarin und auch nicht mehr \u00fcber den Partner schimpfen. Wie herrlich einfach ist es doch, sich \u00fcber andere aufzuregen?
Doch andererseits: Wie befreiend ist es, wenn wir erkennen, dass alles, was uns an anderen \u00e4rgert, ein Teil von uns selbst ist und wir diesen erl\u00f6sen k\u00f6nnen? Die anderen k\u00f6nnen wir n\u00e4mlich meist nicht \u00e4ndern. Solange wir das versuchen, bleiben wir in der Opferrolle gefangen. Doch wenn wir die betroffenen Schattenanteile in uns befreien, werden wir feststellen, dass wir innerlich vollst\u00e4ndiger werden und sich unsere Beziehung zu Menschen, die f\u00fcr uns zuvor schwierig waren oder uns bedroht haben, komplett entspannt.<\/p>
<\/em>Martin Buber<\/em><\/p><\/blockquote>
Wenn wir jetzt erkannt haben, dass das, was wir im anderen ablehnen, in uns ist, dann stellt sich die entscheidende Frage, wie wir diesen Anteil in uns erl\u00f6sen k\u00f6nnen? Dazu m\u00fcssen wir wissen, dass uns das, was wir ablehnen, zun\u00e4chst immer erst negativ oder destruktiv erscheint \u2013 also als Feind. Wir sehen nie das lebendige Potential darin. Wenn wir zum Beispiel die Ersch\u00f6pfung ablehnen, scheint sie etwas zu sein, das uns Kraft raubt und entsprechend \u00fcberwunden werden muss. Und wenn wir unsere Aggression ablehnen, kommt sie uns zun\u00e4chst als gef\u00e4hrlich vor. Erst wenn wir diese Anteile unvoreingenommen und annehmend erkunden, k\u00f6nnen wir das Potential darin entdecken und befreien. Dann sp\u00fcren wir pl\u00f6tzlich, welche Entspannung und Erholung entsteht, wenn wir die Ersch\u00f6pfung vertrauensvoll zulassen. Oder wie klar wir f\u00fcr uns eintreten k\u00f6nnen, sobald wir die Aggression als positive Kraft zu uns nehmen.
Freilich ist das manchmal nicht ganz einfach, Schattenanteile, von denen wir zun\u00e4chst \u00fcberzeugt sind, dass sie falsch oder destruktiv seien, nochmal ganz neu \u2013 mit unvoreingenommen und neugierigen Augen \u2013 zu erkunden. Aber es lohnt sich! Denn wenn wir das nat\u00fcrliche Potential im inneren D\u00e4mon erkennen, verwandelt sich der innere Feind zu einem m\u00e4chtigen Verb\u00fcndeten.<\/p>
Stefan Zweig<\/span><\/em><\/div><\/blockquote>
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