Nachruf

Bogdan Snela in memoriam

Am Morgen des 14. Januars 2021, seines 84. Geburtstags, ist Bogdan Snela, Begründer des Domicilium, friedlich verstorben. Die letzten Monate seines Lebens hat er in der von ihm gegründeten Hospiz-Gemeinschaft verbracht, und ganz im Sinne des Selbstverständnisses der Hospiz-Gemeinschaft konnten wir uns unter dem von Bogdan geschaffenen Dach, unter dem er selbst viele Abschiede begleitet hat, in Bewusstheit und Achtsamkeit voneinander verabschieden.

In und durch Bogdans Sterben erschließen sich uns die Früchte seines Werks, dem er sein ganzes Leben gewidmet hat, vollends. Sein ganzes Handeln zielte darauf ab, besonderen, tiefen Erfahrungen und Begegnungen eine Heimat zu geben. Und so erleben wir die Trauer um unseren Freund, Gefährten und Vater auch als Geschenk. Wir halten ihn in liebender Erinnerung als visionären, tatkräftigen, kreativen, sehnsuchtsvoll suchenden Menschen. Dass er sich selbst sein Leben lang immer treu blieb, hat seinen weiterwirkenden Ausdruck im Fortbestehen des Domicilium.

Bogdan Snela

Bogdan Snela

Baustelle am ältesten Gebäude des Domiciliums

Baustelle am ältesten Gebäude des Domicilium

Bogdan wurde 1937 in Poznań (deutsch: Posen) als siebtes von acht Kindern geboren. Als Dreizehnjähriger ging er auf ein Internat, das bereits auf die Vorbereitung auf ein Priesteramt ausgerichtet war. Es folgte das Katholische Seminar. Mit 23 wurde er zum Priester geweiht. Im Anschluss wurde er an der KUL (Katolicki Uniwersytet Lubelski) in Lublin wissenschaftlich tätig, veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zu dogmatischen Themen, forschte zu Sakramenten als struktural-menschlichen Aspekten des Christentums und zu Charismen, in denen er mit Karl Rahner den bleibend gültigen Kern der christlichen Erfahrung sah. Seine beiden Promotionen schloss er 1971 in Theologie, und 1985 in Philosophie ab.

Bogdan war ein Mensch mit weitem humanistischen Horizont, liebte die Literatur, die Musik, sang sehr gern (pfiff zudem geradezu virtuos, während er als begeisterter Handwerker die passenden Bretter für eine der Holzverkleidungen der Domicilium-Fassaden zusammensuchte), schrieb selbst Gedichte und inszenierte mit Leidenschaft am universitären Theater. Als Humboldt-Stipendiat nach Deutschland gekommen, entschied er sich, die Kanzel und den Beichtstuhl gegen das familiäre Esszimmer und den Schreibtisch eines Lektors beim Kösel-Verlag, die etablierten Gotteshäuser gegen die Domicilium-Baustelle einzutauschen.

Bogdan hat die Begrenzungen, die er vorfand, im Verlauf seines Lebens mit immer tieferer Wirkung überwunden. Die Gegensätze, die sich aus seiner Migration von Polen nach Deutschland, aus dem Zölibat in die Rolle eines Vaters und Ehemannes ergaben, hat er immer eindrücklicher integriert. Alle, die ihn näher kannten, konnten es deutlich sehen, dass wir es in ihm mit einem Menschen zu tun hatten, der im Verlauf seines ganzen Lebens, einen inspirierenden Weg der Wandlung hin zu immer mehr Offenheit, Durchlässigkeit, Sanftheit zurückgelegt hat.

Die Familie, die er mit seiner Frau Helena gründete, setzt sich aus drei leiblichen und drei Pflegekindern zusammen. Beim Kösel-Verlag belebte und pflegte er die Sparte „Interreligiöser Dialog“. Mit Titeln zu Zen (Hugo Makibi Enomiya-Lassalle), zur jüdisch-christlichen Verständigung (Pinchas Lapide), zu muslimischer Spiritualität (in der Übersetzung Annemarie Schimmels), mit der Herausgabe der Bhagavad Gita (in Zusammenarbeit mit und Übersetzung durch Michael von Brück). Er betreute die bei Kösel erschienenen Bücher von Luise Rinser und Raimon Panikkar, denen er auch freundschaftlich verbunden war. Auch mit Claus Eurich, dessen Bücher bei Kösel er gleichfalls herausgab, und für dessen Ideen er sich begeisterte, verband ihn ein inspirierender Dialog. So gestaltete er ein Programm, das nicht verstaubten Dogmen sondern einer lebendigen Spiritualität in Wertschätzung der alten Traditionen verpflichtet war.

Helena und Bogdan Snela als Eltern

Helena und Bogdan Snela als Eltern

Bogdan und Helena Snela im Garten des Domicilium

Wie er Brückenschläge zwischen Ost und West und den verschiedenen Religionen möglich machte, hinderte ihn sein Heimischsein in den Büchern auch nicht daran, seine Visionen in die Wirklichkeit reger Tätigkeit zu überführen. Nicht wenige der von ihn betreuten Autorinnen und Autoren belebten und beleben nach wie vor das Kursangebot des Domicilium, und waren und sind ihm ideell verbunden. Bogdan hat immer mit immenser Wertschätzung von Handwerkern gesprochen, denen er als Junge gerne bei der Arbeit zusah, und von denen er sich nicht wenige seiner eigenen handwerklichen Fertigkeiten abschaute. Sobald es der Schreibtisch zuließ, sozusagen noch im Hemd, war er auf der Baustelle tätig. Und trotzdem hatte er am Abend noch Zeit übrig, über die Erledigung der Hausaufgaben seiner sechs Kinder zu wachen.

Schon als Student an Mystik interessiert, beeindruckte ihn die Begegnung mit Hugo Makibi Enomiya-Lassalle so tiefgehend, dass er sich ab den achtziger Jahren mit Hingabe auf Weg des Zen einließ. Nach langjährigem Zen-Studium bei AMA Samy, Willigis Jäger, Akira Kubota Rôshi und Ryoun Yamada Rôshi erhielt er die Befugnis, als Lehrer der Sanbôzen-Linie Zen zu lehren. Sein Credo als Praktizierender und Lehrender war immer die gelebte Erfahrung, sein Motto das Tun des Erfahrenen. Das fand Ausdruck darin, dass er die mystische Erfahrung mit sozialem Engagement verband.

Damit hat er uns eine Landschaft hinterlassen, die mit jedem Schritt über das Domicilium-Gelände seiner gedenkt. Bogdan lebt in jedem von ihm bewegten Stein, jedem von ihm errichteten Haus und in der Gefolgschaft seines über die Hänge zur beharrlich fließenden Mangfall hinunter schweifenden Blickes. Und wir sind dankbar, das Tag für Tag zu spüren.

Bogdan Snela mit Pater Lassalle

Bogdan Snela mit Pater Enomiya-Lassalle